Recht gesunde Ansichten hat ein Leser der "W.-F. Bl." in Betreff des Projects der Verlängerung der Kreis Oldenburger Eisenbahn, hinsichtlich der Richtung derselben, ob von Oldenburg über Neukirchen nach Heiligenhafen oder von Oldenburg über Neukirchen nach dem Fehmarnsund resp. Ueberbrückung des Fehmarnsundes nach Fehmarn. Derselbe schreibt:
Erstens: Eine Bahn von Oldenburg über Neukirchen nach Heiligenhafen mit guter Dampfschiffs-Verbindung sowohl nach Burgstaaken als auch nach Orth auf Fehmarn, würde jedenfalls die billigste, rentabelste und zweckentsprechendste sein. Die Baukosten der Bahn über Neukirchen nach Heiligenhafen, würden hinsichtlich der Terrain-Verhältnisse jedenfalls niedriger sein, als die für den Bau einer Bahn von Oldenburg zc. nach dem Sund. - Heiligenhafen ist eine Seestadt, welche von Dampf- und Segelschiffen mittelmäßiger Größe und Tiefgang jeder Zeit zu erreichen ist, und daher als Endpunkt einer Eisenbahn sehr wohl geeignet. - Durch zwei gute praktische Dampfschiffe, welche gleich nach der Konstruction von Eisbrechern anzufertigen wären. - Die Verbindung der Insel Fehmarn mit der Bahn würde hinreichend gesichert sein; und dadurch, daß eines der beiden Dampfschiffe zwischen Heiligenhafen, Burgstaaken und das andere zwischen Heiligenhafen - Ohrt die Verbindung unterhielte, würden der Eisenbahn wesentlich mehr Güter und Passagiere zugeführt werden, als wenn die Bahn direct nach Fehmarn event. Burg a. F. gebaut würde.
Zweitens: Eine Bahn von Oldenburg über Neukirchen nach Fehmarnsund eventuell mit Ueberbrückung des Sundes würde erstens mindestens eine Million Mark mehr kosten, als eine Bahn von Oldenburg über Neukirchen nach Heiligenhafen mit Einschluß der beiden oben erwähnten Dampfschiffe zur Verbindung der Insel Fehmarn und zweitens würde sie auch lange nicht so rentabel sein. - Würde die Bahn etwa nur bis an den Fehmarnsund gebaut, so würde überhaupt kein zweckentsprechender Endpunkt vorhanden sein; weil die Wassertiefe daselbst so gering ist, das selbst kleine Segelschiffe nicht die vorhandene Brücke erreichen können, und würde die Bahn daher von Frachtgütern überhaupt nichts erhalten, und die Einnahme der Bahn sich so niedrig stellen, daß diese niemals die täglichen Ausgaben deckten. Eine solche Bahn ist infolgedessen ganz verwerflich. - Die Bahn von Oldenburg über Neukirchen mit Ueberbrückung des Sundes eventuell nach Burg a. F. wird mindestens, wie schon vorhin bemerkt, eine Million Mark und bei ungünstigen Verhältnissen bei der Ueberbrückung des Sundes zwei Millionen Mark mehr kosten, wie die Strecke nach Heiligenhafen zc. Auch diese Bahnstrecke würde wohl kaum mehr als als die täglichen Unkosten decken und daher auch nicht zu empfehlen sein - Der schwierigste Punkt wäre jedoch die Ueberbrückung des Fehmarnsundes hinsichtlich der Schifffahrt (durch den Fehmarnsund); denn wenn ein fester Damm mit einer Drehbrücke gebaut würde, dann wäre die Schifffahrt durch den Fehmarnsund völlig aufgehoben, welches doch als schwer ins Gewicht fallend zu berücksichtigen sein dürfte. Dadurch würde erstens die kleine Schifffahrt einen unberechenbaren Schaden haben und weitens dürfte es im Interesse unserer Marine gar nicht erlaubt werden, daß der Sund geschlossen werde, was wohl zu beachten ist. Daß die Ueberbrückung des Sundes durch einen festen Damm mit Drehbrücke die Schifffahrt durch denselben wesentlich stören und nahezu unmöglich machen würde, möchte ich im Nachfolgenden weiter beleuchten: Bei frischen West- und Ostwind können Schiffe bei dem jetzigen Stande der Dinge schon sehr oft nicht durch den Sund kreuzen wegen zu starker Strömung, mithin wird solches zur gänzlichen Unmöglichkeit, wenn der Grund bis auf ca. 30 oder 50 Meter verengt wird. Es wird jedem Laien einleuchten, daß von der Schifffahrt durch den Sund dann keine Rede mehr sein kann, denn es wird bei frischem Ost- und Westwinde eine Strömung von ca. 8 bis 10 Seemeilen durch die verengte Oeffnung laufen. Daß also kein Schiff gegen den Strom durch den Sund kommen kann, ist so einleuchtend, daß es Niemand wagen wird, dieses zu bestreiten. Auch kann es keiner riskieren, selbst mit dem Strom durch die enge Oeffnung zu segeln, weil man nicht sicher, daß das Schiffdem Steuer (Ruder) gehorchen wird. Ob nun endlich die beiden Brückenköpfe tief und stark genug gebaut werden könnten, um der starken Strömung gewachsen zu sein und sowohl gegen deren Aufprall als auch der Untergrabung Stand halten würden, wage ich zwar nich zu beurteilen, weil ich eben nicht die hinreichenden technischen Kenntnisse dafür besitze, erlaube mir jedoch, dieses recht sehr zu bezweifeln. - Der Zweck dieser Erörterungen ist, Alle, welche an der Verlängerung der in Rede stehenden Bahn ein Interesse haben und besonders die Herren, welche in dieser Sache zu beschließen berufen sind, auf Vorzüge und Mängel der verschiedenen Linien aufmerksam zu machen, und möchte Schreiber dieses nur wünschen, daß sich alle für die Sache Interessierenden ihre Ansichten veröffentlichen wollten, damit das Beste getroffen werde.