In der dem Abgeordnetenhause zugegangenen Eisenbahnvorlage befindet sich folgende Denkschrift betreffend die Beteiligung des Staates an dem Bau einer Eisenbahn von Oldenburg in Holstein nach Heiligenhafen:
"Die am 30. September 1881 dem Betriebe übergebene, von Neustadt in Holstein in nördlicher Richtung abzweigende Kreis Oldenburger Eisenbahn reicht zur Zeit nur bis zur Stadt Oldenburg in Holstein. Das Bedürfnis zur Weiterführung dieser Bahnlinie ist im Interesse der Förderung der Landwirtschaft im nördlichen Teile des Kreises und der Hebung der Stadt Heiligenhafen, sowie der Anschließung der Insel Fehmarn an das festländische Eisenbahnnetz von Jahr zu Jahr dringlicher geworden. Zur Befriedigung desselben beabsichtigt die Kreis Oldenburger Eisenbahn, die Linie bis Heiligenhafen auszubauen, falls der Staat sich, wie bei der Kreis Oldenburger Eisenbahn, durch Uebernahme von Aktien beteiligen sollte.
Die neue, ganz auf den Kreis Oldenburg (837 Quadratkilometer mit 43000 Einwohnern) des Regierungsbezirks Schleswig entfallende Strecke wird eine Länge von 20,2 Kilometer erhalten und, wie das im Betriebe befindliche Hauptunternehmen, als Nebeneisenbahn in voller Spurweite hergestellt werden.
Das zu erschließende Gebiet umfaßt einen Flächenraum von 200 Quadratkilometern mit etwa 11000 Bewohnern. Der ganze Landstrich ist gut ausgebaut und in fortschrittlicher Kultur. Ein Aufschwung steht insbesondere für die Stadt Heiligenhafen (2200 Einwohner) zu erwarten, deren Handel und Schiffsverkehr durch die Fortsetzung der Bahn bis zum Hafen neu belebt werden wird.
Ihre besondere Bedeutung wird die Linie jedoch durch die Möglichkeit des Anschlusses der Insel Fehmarn an das festländische Eisenbahnnetz erhalten. Diese fruchtbare Insel mit einem Flächeninhalte von rund 185 Quadratkilometer und etwa 10000 Bewohnern ist zur Zeit in Folge völlig unzureichender Verkehrsverbindungen von dem nahegelegenen festländischen Gebiete abgeschnitten. Der Weg über den Fehmarnsund ist mangels einer genügenden Fähranlage schwierig, in der rauhen Jahreszeit häufig unbenutzbar und bei der großen Entfernung zur nächsten Eisenbahnstation Oldenburg in Holstein für den durchgehenden Verkehr ungeeignet. Ebensowenig kann die zwischen dem kleinen Inselhafen Orth und Heiligenhafen bestehende Dampferverbindung (12 Kilometer Seeweg) das Bedürfnis befriedigen. Die Insel ist in Folge dessen für den Versand ihrer Erzeugnisse und die Deckung ihres Bedarfs im Wesentlichen auf den Seeweg nach und von Kiel nach Lübeck angewiesen.
Der Bau der Linie Oldenburg - Heiligenhafen würde diese mißlichen Verhältnisse beseitigen, wenn, wie in Aussicht genommen ist, von einem geeigneten Punkte dieser Linie (etwa Lütjenbrode) eine Kleinbahn nach dem Fehmarnsunde in voller Spur erbaut, jenseits des Sundes nach dem Hauptorte Burg (2800 Einwohner) und anderen Punkten der Insel in schmaler Spur weitergeführt, und mittels Dampftrajekts eine den unmittelbaren Uebergang von schmalspurigen Kleinbahnwagen zulassende Verbindung zwischen dem Festland und der Insel hergestellt wird.
Die Kreis Oldenburger Eisenbahngesellschaft hat beantragt, daß der Staat sich an deer Aufbringung des auf 1100000 M bezifferten Anlagekapitals für die Weiterführung der Linie von Oldenburg bis Heiligenhafen durch Uebernahme der Hälfte des Anlagekapitals, einschließlich der Grunderwerbskosten, in Stammaktien, wenn auch nicht über den Betrag von 550000 M hinaus, beteiligen möge. Bereits jetzt befindet sich der Aktienbesitz der zeitigen Kreis Oldenburger Eisenbahn zum Teil in den Händen des Staates. Derselbe beteiligte sich nach diesem Unternehmen nach dem Gesetz vom 9. März 1880 (Gesetzsamml. S. 169), in dessen Begründung übrigens bereits auf die Bedeutung einer Fortsetzung der Neustadt - Oldenburger Bahn bis Heiligenhafen hingewiesen ist, mit einem Betrage von 188000 M. Außerdem fielen dem Staat mit der Verstaatlichung der vormaligen Altona-Kieler Eisenbahn, die an dem Unternehmen gleichfalls beteiligt war, weitere Aktien im Betrage von 400000 M zu, so daß der gesamte Aktienbesitz des Staates sich auf 588000 M beläuft. Bei dem Anlagekapital von 1200000 M ist dies nahezu die Hälfte. Den größeren Teil des Restes der Aktien besitzt der Kreis Oldenburg.
Die Kreis Oldenburger Eisenbahngesellschaft hat in den letzten Jahren durchschnittlich drei Prozent Dividende verteilt. Die bis Heiligenhafen erweiterte Linie läßt bei annähernd gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht nur eine gleiche Rente erhoffen, sondern verspricht in Folge des Anspruches der Insel Fehmarn noch günstigere Betriebsergebnisse, deren Rückwirkung auf die Einnahmen aus dem staatlichen Aktienbesitz der Kreis Oldenburger Eisenbahn und aus den anschließenden Staatsbahnlinien nicht außer Acht zu lassen ist.
Da es sich um die Befriedigung eines dringenden Bedürfnisses des aufzuschließenden Landesteiles handelt, auch eine angemessene Rente zu erwarten ist, so erscheint es gerechtfertigt, durch die erbetene Staatsseitige Uebernahme der Hälfte des Anlagekapitals für die Linie Oldenburg - Heiligenhafen, jedoch höchstens von 550000 M Aktien, die Ausführung des Unternehmens zu ermöglichen.
Um die Herstellung der im allgemeinen Interesse dringend erwünschten neuen Verkehrsverbindungen bezugs Anschließung der Insel Fehmarn an das Eisenbahnnetz mit Sicherheit herbeizuführen, wird die beteiligung des Staates an der Aufbringung des Aktienkapitals für die Fortsetzung der Kreis Oldenburger Eisenbahn nach Heiligenhafen an die Bedingung geknüpft, daß der Kreis Oldenburg sich verpflichtet, durch Aufbringung des erforderlichen Anlagekapitals in Stammaktien sich an der Ausdehnung des Kreis Oldenburger Eisenbahnunternehmens zu beteiligen und zwar dahin, daß
- Die Nebenbahn von Oldenburg in der beabsichtigten Weise über Neukirchen nach Heiligenhafen weiter geführt wird, und
- von einem geeigneten Punkte dieser Bahn eine Kleinbahnverbindung mit Fehmarn, für welche eine Beteiligung des Staates aus den ihm zur Förderung des baues von Kleinbahnen zur Verfügung stehenden gesetzlichen Mitteln in Aussicht genommen ist, und zwar in voller Spur bis an den Fehmarnsund und jenseits desselben in schmaler Spur nach Burg, sowie von Burg über Petersorf nach Orth unter Ueberschreitung des Fehmarnsundes mittels Dampftrajekts, durch welches die unmittelbare Ueberführung von schmalspurigen Kleinbahnwagen ermöglicht wird, baldthunlichst, spätestens binnen 5 Jahren nach der Eröffnung der Eisenbahn nach Heiligenhafen, hergestellt und dauernd betrieben wird.